Scherbenleben

Leben in einer besonderen Wohnform für psychisch kranke Erwachsene

Vereinzelung


Ich bin derzeit in der beschützten(vulgo: geschlossenen) Psychiatrie, weil es mir miserabel geht. Konkret, ich hatte Suizidgedanken und Pläne. Am Montagabend hatte ich noch eine Notstunde bei meiner Therapeutin, nach der ich dachte, ich hätte mich gefangen. Dienstagmorgen bin ich dann mit extrem konkreten Suizidgedanken aufgewacht und wollte nicht mehr. Dies erzählte ich meiner anwesenden Betreuerin und wir überlegten zusammen, was wir tun wollten. Sie war etwas in Zeitnot, sodass Abwarten und Zusammensitzen kein Weg war. Wir riefen also bei meiner Psychiaterin an und diese eröffnete, dass ich theoretisch ab Montag einen Platz in der Tagesklinik in meiner Stadt hätte. Auch hier ging die Überlegung hin und her, ob wir das irgendwie überbrücken können, aber auch hier nein. Meine Ärztin hinterlegte dann eine Einweisung und einen Transportschein bei der zuständigen Klinik. Meine Betreuerin verschob ihren wichtigen Termin und rief mir einen Krankentransport, wir packten die Sachen für 3 Tage Klinik und redeten danach. Ich musste meinen Schlüssel wegen der Gefahr, dass er abhandenkommt, in der WG lassen, was sich für mich nicht gut anfühlte. Der Krankentransport kam dann auch recht zügig (1:20h ist zügig für einen Transport keinen Rettungswagen!) ich war schon ziemlich durch bis dahin und merkte, es wurde immer schlimmer.

In der Klinik angekommen hatte ich zügig das Aufnahmegespräch, es ging eindeutig nur darum festzustellen, wo sie mich aufnehmen wollen, nicht ob. In diesem Gespräch gab ich die Anspannung noch mit 50 (von 100) an und die aktive Suizidalität mit 8/10 so wie meinen Selbstverletzungsdruck mit 6/10.

Nachdem klar war, dass ich auf eine beschützte Station kam, auf der ich davor nie war, versagte meine Stimme komplett (davor gingen immer wieder Einzelsätze oder Satzfetzen).

Wir hatten dann ein Erstgespräch mit der Oberärztin der Station, hierbei war die Anspannung schon über der kritischen Marke von 70. Man gab mir Beruhigungsmedikamente und meinte, ich solle mich melden, wenn es gar nicht mehr ginge oder sich meine Steuerung verabschiedet. Ich kämpfte mit allem, was der Krieg in mir hergab, mit mir und holte immer wieder Bedarf. (Den sie sehr großzügig angesetzt hatten). Ich spielte alle Skills durch die ich hatte wieder und wieder. Ich spielte mit meinem Kuscheltier. Der Gedanke zu sterben, die Dunkelheit war übermächtig. Gegen 18 Uhr war bei mir kein Gedanke mehr da als “Wie bringst du dich hier am besten um?” und ich fing an mich auf absurde Weißen zu verletzen. Ich habe mir in die erreichbaren Gliedmaßen gebissen und versucht meine Hand in einer Tür einzuklemmen.

Ich kämpfte mich mit meiner Kraft ein letztes Mal zur Pflege, dass ein Arzt noch mal mit mir reden würde, war mir schon eine Stunde zuvor zugesagt worden, woraus aber nichts wurde. Ich sagte mit den Worten, die ich rausbrachte, dass ich keine Kontrolle mehr habe. Der Pfleger fragte, ob ich noch 2 Minuten aufbringen könnte, ich nickte. Er ging kurz telefonieren.

“Ich habe mit der Ärztin geredet, wir würden sie verlegen, wenn das für sie ok ist.” ich nickte, ich hatte damit gerechnet, dass sie mich fixieren würden, ich hatte einfach nur Angst und keine Kraft mehr, die mich am Leben hielt. Mir wäre jede Hilfe von außen recht gewesen. Wir gingen einen dunklen Gang entlang, zu einer Tür, die ich aktiv auf anderen Stationen bisher nur ganz kurz offen gesehen hatte “Isolation”.

Hinter der Tür war ein Raum mit einem Tisch, einem Schreibtischstuhl, auf dem Tisch war ein Computer, links und rechts vom Tisch gingen je zwei Türen weg, jeweils mit großen Fenstern in den Türen. “Bitte machen Sie ihre Taschen leer und ziehen sie ihren Gürtel aus” Ich tat wie geheißen und legte den Kram unbedarft auf den Tisch. Es war auch egal. “Keine Angst, wir schützen sie.” Ich sollte noch meine Uhr ablegen. In dem Raum hinter der Tür neben dem Schreibtisch rechts waren weiße Wände, mit einer weichen Tapete, ein Schaumstoffblock überzogen mit einer blauen Plane und eine Toiletteneinheit aus Stahl mitten im Raum. Nicht einladend. “Ich hole ihnen noch eine Kuscheldecke” “Bitte eine normale” sagte ich. Und dann wurde die Tür zugemacht. Von innen nicht öffenbar. Draußen vor der Scheibe saß jemand und schaute regelmäßig zu mir rein. Ich untersuchte den Raum, ob es irgendwo doch was Scharfes oder andersartig zum Verletzen gab. Nein, gab es nicht.

Mein Kopf fing an sich zu beruhigen, meine Gedanken rasten nicht mehr wie irre, sondern nur noch wie verrückt. Nach wenigen Minuten kam die Pflegerin mit der Decke, die Decke hatte keinen Überzug, Kopfkissen gab es auch nicht, aber besser als nichts. Eine andere Pflegerin kam vorbei und zeigte mir ihren Kasten mit Skill Spielzeugen. Ich durfte mir 2 nehmen, von denen ich hoffte, sie würde mir helfen, auch meine Stimmingschnecke durfte ich behalten. Außerdem wurde mein CPAP geholt und dafür gesorgt, dass es Strom hatte, damit ich schlafen konnte. Auch wenn das noch mehr Rücksicht von außen erforderte. Es gab in dem Raum keine Uhr, es war auch egal. Irgendwann kam jemand und brachte mir Medikamente und etwas zu trinken. 

Ich schlief ein, endlich. 

Ich erwachte 6-mal die Nacht und 6-mal bekam ich beruhigende Worte und etwas Bedarf zum Weiterschlafen. Die Leute waren durchgängig sehr freundlich zu mir. Obwohl ich in einer Scheißlage war und ihnen Arbeit machte.

Am nächsten Morgen war meine Hose nass und ich kommunizierte das mit der Person vor der Tür, diese rief jemand von Station, ich wurde gefragt, ob ich mir für den Moment zutraue, mitzukommen und eine Hose zu holen. Ich nickte und folgte, wir besorgten eine neue Hose und ich ging zurück in den Raum. Alles geschah komplett unter Achtung meiner Würde, ich fühlte mich zu keinem Zeitpunkt schlecht behandelt, man merkte, man wollte mir helfen, nicht mir wehtun.

Mir wurde ein Frühstück gebracht, 4 geschmierte Brötchen mit ordentlich Butter und Marmelade und etwas Wasser so wie meine morgen Medikamente. 

Dann kam eine Ärztin und sprach mit mir, wir hatten es darüber, warum das notwendig war und dass sie mir mehr beruhigende Medikamente geben würde. Ich wurde gefragt, ob ich bereit war, wieder nach draußen zu gehen, ich war bei einem “Ich versuchs” und wir machten aus, dass ich zurückkomme, wenn wieder etwas ist, gerne auch früher diesmal. Die “Entlassung” aus der Vereinzelung machte dann die Pflege, ich bekam meinen Kram zurück und gab die Skill Spielzeuge zurück.

Was ich mit diesem Artikel sagen will: Die beabsichtigen, euch zu helfen, auch wenn die Maßnahmen erst mal grausam klingen, haben sie in diesem Moment Ziel, Maß und Zweck und es sind Menschen, die haben die Absicht, euch gut zu behandeln und helfen.


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