Scherbenleben

Leben in einer besonderen Wohnform für psychisch kranke Erwachsene

Türen


Ich hatte gestern eine Diskussion mit einer Mitbewohnerin und wollte deswegen über mein Verhältnis zu geschlossenen Türen schreiben. Beziehungsweise zu Türen im Allgemeinen.
Unser Leben beginnt mit geschlossenen Bereichen, erst ein Laufstall und ein Gitterbett, später eine abgeschlossene Terrassen- und Haustür, damit wir nicht weglaufen und uns wehtun. Sie haben eine Schutzfunktion. Später gehen immer mehr Türen auf und die meisten verschlossenen Türen kommen nur noch geistig vor. Die nicht-Erlaubnis zu Freunden zu gehen bevor die Hausaufgaben gemacht sind. Die Ladenöffnungszeiten. Doch ein paar Türen bleiben zum Schutz zu, unter anderem die Türen einer Bahn oder Bus während der Fahrt. Geschlossene Türen gehören zu unserem Leben und überwiegend haben sie einen Sinn.
Aber auch offene Türen können Absprachen erfordern. Zum Beispiel in dem Heim, wo ich als Jugendliche war, sollte man sich abmelden, ehe man wohin ging. Und anmelden, wenn man wieder da war, manchmal durfte man auch nicht gehen. Das erste Mal Probleme mit einer offenen Tür bekam ich in der Verselbstständigungswg, die an das Heim anschloss, auf einmal waren nicht mehr rund um die Uhr Betreuer da. Ich hatte Probleme rauszugehen, weil ich mich nicht mehr immer abmelden konnte, was, wenn mich jemand sucht? Was, wenn mir jemand die Polizei hinterherschickt, weil ich nicht da bin, wo ich sein sollte? Einfach waren fest ausgemachte Sachen wie Schule und Praktikum. Schwieriger wurde es spontan jemand zu besuchen. Oder einkaufen zu gehen oder sonstiges, wenn niemand da war zum Absprechen und ich es nicht im vorn herein abgesprochen habe.
Schwierig ist das auch heute noch für mich. Ich habe einen Tagesplan und dem Folge ich, Änderungen gehen, nur wenn ich sie mit jemand absprechen kann. Wenn ich denen, die denken, dass ich da sein sollte, sagen kann, dass ich es nicht sein werde. Spontan irgendwas tun, ist für mich kaum tragbar.
Nun noch ein kurzer Absatz über geschlossene Türen, die mich irgendwo einsperren, wozu ich keinen Schlüssel hab (beschützte Psychiatrie zum Beispiel) mir geben diese Türen ein Gefühl von Geborgenheit und es sorgt dafür, dass ich etwas entspannen kann, etwas weniger Anspannung und Verantwortung für mich. Verantwortung ist ohnehin so ein Ding … aber dazu ein anders Mal mehr.


2 Antworten zu “Türen”

  1. Hmm, schwer nachvollziehbares Problem. Wenn man einen Termin hat und den nicht wahrnehmen kann, sagt man natürlich bescheid.

    Aber ansonsten gibt es doch die Möglichkeit, dass viele Leute die eigene Handynummer haben? Ich sagen zum Beispiel nicht meiner WG-Mitbewohnerin bescheid, wenn ich weg gehe. Oft würde das auch gar nicht gehen, weil sie gerade gar nicht da ist. Wenn was dringend ist (z.B. hatte sie letztens ihren Schlüssel vergessen und ist nicht ins Haus gekommen), dann ruft sie mich halt auf meinem Handy an.

    Irgendwann hatte ich mal einen Anruf von ihr, weil sie mich tagelang nicht gesehen hatte und wissen wollte, ob mit mir alles in Ordnung ist? Ich habe dann gesagt, ja, mit mir ist alles in Ordnung. Wir waren uns nur zufällig die letzten Tage nicht über den Weg gelaufen.

    Wenn ich länger als 2 Tage wegfahre, schreibe ich ihr auch eine SMS, dass ich die nächsten Tage nicht da bin.

    Auch mehrere Arbeitskollegen und meine Brüder und meine Nachbarn und eine Freundin haben meine Handynummer.

    Vielleicht kannst Du Dich mal mit Leuten unterhalten, die in einer “normalen” Wohnform leben, wie sie das machen? Zum Beispiel leben doch z.B. Deine WG-Betreuer vermutlich alleine in einer Wohnung, oder auch in einer “normalen” WG ohne Betreuung so wie ich, oder mit ihrer Familie, oder mit ihrem Lebensgefährten. Die vielleicht mal fragen, wie sie so was regeln?

  2. Zitat: — Nun noch ein kurzer Absatz über geschlossene Türen, die mich irgendwo einsperren, wozu ich keinen Schlüssel hab (beschützte Psychiatrie zum Beispiel) mir geben diese Türen ein Gefühl von Geborgenheit und es sorgt dafür, dass ich etwas entspannen kann, etwas weniger Anspannung und Verantwortung für mich. Verantwortung ist ohnehin so ein Ding … aber dazu ein anders Mal mehr. —

    Uff, da bin ich GANZ anders, es ist einfach Knast für mich, nichts anderes. Schönes Wetter und ich würde gerade schwimmen gehen, aber ich bin eingesperrt.

    Eine Freundin hätte Zeit und ich würde mich gerne mit ihr in ihrer Wohnung treffen oder mit ihr eine Runde spazieren gehen, stattdessen müssen wir im Besucherraum der geschlossenen Psychiatrie rumsitzen. Oder irgendwelche Therapeuten haben angeordnet, dass ich gerade überhaupt keinen Besuch bekommen soll, oder nicht von ihr, etc….

    Klar ist dann sämtliche Eigenverantwortung abgegeben, aber was habe ich davon??? Gar nichts habe ich davon, nur verpasste Gelegenheiten wo ich was Schönes hätte machen können anstatt in der Geschlossenen rumzuhängen.

    Es ist einfach Fremdbestimmung für mich, nichts weiter.

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