Scherbenleben

Leben in einer besonderen Wohnform für psychisch kranke Erwachsene

Kommunikative Nähe


Heute möchte ich über ein Thema schreiben, dass mir in der Klinik, in der ich derzeit bin, immer wieder auffällt und zu dem eine Freundin berichtete, dass es gerne missverstanden wird. Die kommunikative Nähe von Personen.
Was meine ich mit “kommunikative Nähe”? Ich meine die Einfachheit, mit der man eine Kommunikation zwischen 2 Personen herstellen kann. Also wie intuitiv sich 2 Personen verstehen und wie sehr sie einen “Weltkontext” teilen, also das selbe Hintergrundwissen und Interessen, Träume, Ziele.
In der Patientengruppe ist der Weltkontext natürlich ähnlicher als wenn ich jemand wild auf der Straße begegne, die Leute sind alle aus einem Grund hier, sie plagen alle die selben Sorgen, was ist mit Arbeit, mit Familie, mit Kindern? Wie geht es weiter im Leben? Wohin führt mein Weg?
Dadurch wird die Kommunikation erleichtert. Es gibt nicht so viele Hindernisse und ein gemeinsames Gesprächsthema, das kennen die meisten von uns, in der Schule waren andere Schüler leichter ansprechbar, wie lief die Klassenarbeit, ist Herr Rupke blöd? Warum müssen wir durch Mathe? Oder bei einem Geburtsvorbereitungskurs, wie nennen wir das Baby? Wie wird die Zeit danach?
Ich glaube, es ist klar, worauf ich hinaus will, Leute mit einem ähnlichen Weltkontext sind uns näher als solche mit einem komplett verschiedenen. Das kann auch auf materielle Umstände gehen, oder auf Religion, auf fast alles. Aber es gibt noch einen weiteren Faktor, der die Nähe beeinflusst, der auf den ersten Blick eventuell nicht so ersichtlich ist.
Das Intuitive verstehen. Hier sind mir im Wesentlichen 2 Kommunikationsstile aufgefallen, kann sein, dass es mehr gibt, aber meine autistische Weltsicht sie nicht zeigt. Das eine ist die autistische Kommunikationsart, das andere die nicht autistische.
Hier kommt es oft zu Reibepunkten, weil Autisten anders kommunizieren als Nichtautisten. Autistische Kommunikation ist direkter, also oftmals ohne in Watte packen, geradeheraus auf den Punkt ohne doppelte Bedeutung. Wenn ich sage “Bitte frag mich nicht wie es mir geht” dann meine ich “Frag mich nicht wie es mir geht, aber ich rede trotzdem gerne mit dir” während es bei einem neurotypischen Menschen bedeutet “Ich mag dich nicht”. Die Kommunikation hat eine Ebene und die sagt, was gemeint ist. Das Vier Ohren Modell würde von der Sachebene reden. Nun verstehen nicht Autisten die Kommunikation aber auch gerne auf den anderen Ebenen. Gleichzeitig hören Autisten oft auch nur eine Ebene und bekommen “verborgene” Bedeutungen nicht mit. Das schafft eine Distanz zwischen den Menschen, die sich nicht so einfach überwinden lässt. Deswegen bevorzuge ich den Kontakt zu anderen Autisten.


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